Dienstag, 1. Mai 2012

Die Leichtigkeit des Seins

Ausstellung des Malers und Grafikers Prof. Heinz Werner

vom 23. März bis 18. Juni 2012 im Gemeindezentrum der ev.-luth. Kirchgemeinde Coswig, Ravensburger Platz 6, 01640 Coswig

Montags, donnerstags und
freitags: 9-12 Uhr
dienstags: 14-18 Uhr
Foto-Impressionen von der Eröffnung:
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Laudatio von Prof. Siegfried Grunert zur Eröffnung:

Einführung in die Ausstellung „Die Leichtigkeit des Seins“ von Herrn PROFESSOR HEINZ WERNER

Arbeiten auf Papier und Leinwand

Leisten sie sich ein wundervolles Erlebnis, besuchen sie die Ausstellung „Die Leichtigkeit des Seins“ von Herrn Professor Heinz Werner. - Wenn ich an „Meißner Porzellan“ denke, denke ich an „Tausend und eine Nacht“; nicht die Schwerter, sondern dieses herrliche Dekor hat sich in meiner Erinnerung eingebrannt. Jedes Gefäß, ja, jede einzelne Tasse, hat ihr eigenes Motiv. Allein mit diesem wohl tausendteiligen Service hat Professor Heinz Werner ein einzigartiges Kunstwerk geschaffen (1973/74). Aber da gibt es ja noch viele andere Arbeiten auf Porzellan. Ich denke an die Dekore „Münchhausen“ (1964), „Purpurrose“ (1964/65), „Blütenreigen“ (1973), „Jagd“ (1973), „Blaue Orchidee“ (1977) ... . Eine Aufzählung würde Seiten füllen. Bewundern Sie diese, seine Arbeiten, in den Schauhallen der Porzellanmanufaktur.

Ich erinnere hier noch an das große Wandbild „Sächsische Schlösser“ in der Empfangshalle des Bahnhofes Dresden-Neustadt und das Triptychon im Trauzimmer des Coswiger Rathauses. Beispiele von Wandgestaltungen aus Meißner Porzellan. Mit seinen Arbeiten hat Heinz Werner entscheidend dazu beigetragen, den Weltruf der Meißner Manufaktur zu erhalten und zu fördern. Kritiker könnten sagen, das war seine berufliche Aufgabe. Da gibt es aber noch ein anderes Lebenswerk von Heinz Werner, ein Lebenswerk, das noch lange nicht abgeschlossen ist. Ich hatte das Glück, davon einiges zu sehen. Wie es dazu kam, davon möchte ich Ihnen erzählen:

Unsere Elternhäuser sind benachbart. Trotzdem haben sich unsere Wege wenig gekreuzt. Zu den größeren Jungen, die uns „Kleinere“ gern neckten, gehörte er nicht. Dass er schön malen kann, war aber in der Siedlung bekannt. Hatte er doch dem Ehepaar Grimmer als Silberhochzeitsgeschenk ein schönes Wandbild ins Treppenhaus gemalt.

- Ich war etwa 12 Jahre alt. Malen interessierte mich. Heinz Werner saß vor seinem elterlichen Grundstück in der Neucoswiger Straße, malte die Scheune neben Haases Tankstelle und hatte nichts dagegen, dass ich ihm zusah. Ich staunte, was für ein interessantes Bild aus diesem schlichten Motiv wurde.

- Jahre später: Mein Arbeitsgebiet waren die mineralischen Rohstoffe geworden. Eine Fachexkursion führte mich in die Porzellanmanufaktur. Ich bewunderte schon lange die von Heinz Werner geschaffenen Dekore. Es zog mich unvermittelt in das Atelier des Künstlers. Der Inhalt unseres Gespräches ist mir unvergesslich geblieben, denn er war ein Schlüssel zum tieferen Verständnis dieser Kunst. Er sagte sinngemäß - „Porzellan wirkt leicht und zart. Schwere Dekore erdrücken es. Es braucht leichte, zarte, heitere Motive. Auch die Altmeister der Porzellankunst arbeiteten so“. Mir wurde klar: nicht nur die Form des Porzellangegenstandes muss materialgerecht sein. Material, Form und Bemalung müssen einen Dreiklang bilden.

Viele Jahre später. Ich war alt geworden, wohnte wieder in meinem Elternhaus und wollte meine Erinnerungen an den Einmarsch der Russen aufschreiben. Da besuchte ich meinen „Zeitgenossen“ Heinz Werner. Aus diesem Gespräch entwickelte sich eine für mich erfreuliche Verbindung mit schönem Gedankenaustausch.

Professor Werner ist geborener Coswiger (geb. 27.08.1928). Als er Kind war, wohnten seine Eltern mit ihm im Mansardengeschoss einer kleinen Villa auf der Hohnsteinstraße. Das Haus ist etwas Besonderes: Mittelrisalit, abgewalmtes Dach, Treppenturm mit einem Söller, Turmstübchen und Spitzdach mit Wetterfahne, umgeben von einem großen Garten. Ist das für ein Kind nicht wie ein Märchenschloss? In der Küche der elterlichen Wohnung war in einer Ecke ein kleines, zusätzliches Fenster, davor ein kleiner Tisch. Das war sein Platz. Hier malte er, was er sah, was ihm einfiel. Später durfte er sich in das Turmzimmer setzen, und er malte, was er sah, was ihm einfiel. Malen, das war seine Beschäftigung. - In der Schule die Aufsätze wurden illustriert. Anders konnte es nicht sein. Und da seine Bilder ernsthaft gemeint waren, akzeptierten die Lehrer das.

Auch Coswig ist etwas Besonderes: - es ist nicht städtisch, es ist nicht ländlich; es ist keine Industriestadt, es ist keine Handwerkerstadt; die Menschen sind nicht reich, aber auch nicht arm. Von jedem gibt es etwas, alles lernt man als Kind kennen. Die Häuser stehen nah beieinander. Die Nachbarn kennen sich, aber sie stören sich nicht. Viele haben einen Garten, und wer keinen hat, schaut den Nachbarn beim Gärtnern zu. - Etliche halten Tiere: Katzen, Hunde - in unserer Kinderzeit Kaninchen, Hühner. Pferdegehörten noch zum Straßenbild. - Alle erleben die ersten Schneeglöckchen, die blühenden Kirschbäume, die leuchtenden Sonnenblumen, das bunte Herbstlaub und den ersten Schnee. Die Winter werden nicht zur Katastrophe und die Sommer nicht zur Plage. Und die Landschaft bietet Wälder, Felder, Wasser, steilere Berge und gepflegte Weinberge. Die Häuser dokumentieren Baustile aus mehreren Jahrhunderten; die Alte Kirche zeigt als Bauwerk, mit ihrer Ausmalung und dem Schnitzaltar Kunst des Spätmittelalters, die Neue Kirche Historismus und Jugendstil. Von jedem hat Coswig etwas, aber alles überschaubar. Weltkunst – Dresden,. Meißen, Moritzburg - erschaut man im Vorübergehen. Die Kirche bietet regelmäßig Gottesdienste, aber auch anspruchsvolle Konzerte mit Werken großer Komponisten. Wir Kinder erlebten das als Selbstverständlichkeit, wir nahmen es in uns auf, sammelten Erinnerungen; Erinnerungen, von denen man sein Leben lang zehrt.

Heinz Werner malte immer. - Lieblingsbeschäftigung? Ja! Eher noch Selbstverständlichkeit - wie Atmen. Sein Vater arbeitete im Holzhandel. Oft kam zu ihm ein Mann - stattlich, urwüchsig, Künstlerhut - und kaufte nur Leisten. „Was machst Du mit den Leisten?“ - „Bilderrahmen.“ – „Bist Du Maler?“ „Ja.“ „Mein Sohn malt auch.“ „So? Na dann schick´ ihn mal zu mir.“ Und so kam Heinz Werner zu dem Maler Zwar. Unter seiner Anleitung durfte Heinz Werner in dessen Atelier malen, streng nach der Natur. Zunächst wurden Gegenstände gezeichnet, die im Atelier und in Zwar´s Haushalt waren: Vasen, Töpfe ... .

E. Zwar: "Landschaft im Erzgebirge", ca.1940,
Abb. aus einem Auktionskatalog
Für die Menschen der Region war Fürchtegott Erhard Zwar eine markante Persönlichkeit, aber nur wenige werden gewusst haben, dass er ein akademischer Maler war. Ich erinnere mich, schöne Landschaftsbilder von ihm in den Gasträumen der Friedensburg gesehen zu haben. In jungen Jahren hatte er per Fahrrad weite Reisen in südliche Länder gemacht. Kriege haben seine Karriere zerstört. Das Gerücht sagt, er habe nie ein Bild verkauft; er lebte zu einer Zeit, in der für Viele das Überleben die kulturellen Ansprüche verdrängte. Aber er musste malen, aus innerstem Bedürfnis heraus. Mit seiner Frau wohnte er bescheiden in einem kleinen ländlichen Haus im Rietschkegrund. Sein Atelier war ein aus Brettern gezimmerter Schuppen mit einem großen Fenster nach der Nordseite. Das Gemüse aus seinem Garten half ihm zum Lebensunterhalt.

Heinz Werner ging nun regelmäßig zu Herrn Zwar. Auch in den Schulferien wanderte er täglich zu ihm. Systematisch erlernte er die wichtigsten Handgriffe des bildnerischen Darstellens. Die gestellten Aufgaben wurden diffiziler, systematisch nach Schwierigkeitsgrad gesteigert. Aber das Malen war für ihn Freude.

Die Schulzeit ging zu Ende. Berufswahl? Technischer Zeichner!? Diese Ausbildung hätte mit einer Schlosserlehre begonnen. Ein halbes Jahr feilen - Heinz Werner wusste, dass ihm das nicht liegt. Da erfuhr er, die Zeichenschule der Staatlichen Porzellan Manufaktur Meißen stellt auszubildende Porzellanmaler ein. Sein Vater meldete ihn an; die Aufnahmeprüfung war für ihn kein Problem (1943). Fünf Jahre Ausbildung in Zeichnen und Malen; dann war er Kerammaler (1948).

- In die Ausbildungszeit fällt die Zerstörung von Dresden, Geschützdonner rings um Coswig, Flucht vor der Roten Armee. Unterkommen bei einem Bauern im Erzgebirge. Russen halten ihn für einen SS-Mann und wollen ihn erschießen, eine junge Polin (eine „Ostarbeiterin“) rettet ihm in letzter Minute das Leben. - Glückliche Heimkehr zu den Eltern und Großeltern. -

Heinz Werner hat auch neben seinen schulischen Aufgaben zu Hause immer gemalt. Sein Können fiel auf. Der Malereileiter Rudolf Lauschke fragte ihn: „Werner, will er Vögel malen?“ Werner wollte, und so kam er schrittweise in die Gruppe der Maler, die Motive auf die produzierten Porzellangegenstände bringen, die hohe malerisches Können erfordern. Fast zehn Jahre führte er diese reproduzierende Arbeit aus, kreatives Malen nur nach Feierabend.
Man erkannte seine Fähigkeiten und berief ihn zum Dekorgestalter (1957). Jetzt konnte er schöpferisch auf Porzellan malen, eigenständig Motive entwerfen. Unter seinen Händen entstanden in den folgenden Jahren Hunderte einzigartiger Dekore. Gemeinsam mit dem Plastiker Peter Strang und dem Formgestalter Ludwig Zepner rang er darum Geschirr, Plastiken und Raumschmuck von hohem künstlerischen Wert zu schaffen, bei denen Material, Form und Bemalung zusammenwirken (1960 ff). Sie trugen entscheidend dazu bei, den Weltruf des Meißner Porzellans auszubauen.
- Neben seiner Arbeit studierte Heinz Werner 6 Jahre an der „Hochschule für Bildende Künste Dresden“ u.a. bei Prof. Bergander und Prof. Damme und schloss das Studium als Diplom-Maler ab. Später unterrichtete er selbst an der „Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein Halle“ und wurde dort zum Honorarprofessor berufen.

Um das internationale Ansehen der Porzellanmanufaktur zu pflegen, durften deren Künstler in die Länder Reisen, zu denen fachliche und wirtschaftliche Verbindungen bestanden. Professor Werner konnte diese Möglichkeit nutzen. Eine Aufzählung seiner Reiseländer muss hier genügen: Frankreich (1972, 1991), Japan (1975, 1984/85), Ungarn (1976/77), Indien (1980), Hongkong (1990), Italien (1993/1998). Überall zeichnete und malte er, notierte Motive - aber besonders sammelte er Eindrücke von anderen Kulturen, die dann direkt oder auch indirekt in sein Schaffen einflossen. Seine künstlerischen Leistungen erhielten international Anerkennung, seine berufliche Wirkungsstätte, die Porzellanmanufaktur Meißen, zeichnete ihn aus, sogar seine Heimatstadt, die Grosse Kreisstadt Coswig, verlieh ihm die Ehrenbürgerwürde (31.3.2009).

Professor Werner liebt die Menschen. Er will sie froh und heiter sehen, wie er sie z.B. in seinen Bildern vom Stadtfest in Coswig oder dem Karneval in Venedig darstellt. Es ist kein leichter Spaß in den Bildern, sondern heitere Achtung vor den Menschen.

Seine Bildnisse von Frauen strahlen trotz Charme und Erotik stets Würde aus. Achtung vor den Frauen; zweifellos auch ein Abbild seiner Erfahrungen. Rettete ihm doch einst eine Frau das Leben. Seine Ehefrau Elfriede (geb. 28.2.1933, gest. 3.8.2010) umsorgte ihn über fünfzig Jahre lang mit Liebe, begleitete sein Schaffen mit Aufmerksamkeit, Verständnis und Anteilnahme. Sie schenkte ihm seinen Sohn Klaus (geb. 29.1.1956, gest. 14.7.1996) – er gab ihm Freude, Hilfe, aber auch großen Schmerz durch seinen frühen Tod. Doch er hinterlässt ihm zwei liebe Enkeltöchter. Nach dem Tode seiner Ehefrau holte ihn Frau Karla Vogelsang aus der Einsamkeit. Sie liebt seine Eigenheiten, sie liebt seine Kunst. Sie wendet die Kümmernisse das Alltags von ihm ab und sorgt, dass er sich seiner Kunst voll widmen kann.

Professor Heinz Werner zeigt uns in seinen Bilden seine Erlebniswelt. Die Vielfalt seiner Bildthemen berührt auch unser Erleben. Auch wir sehen Landschaften, Pflanzen, Tiere, Menschen in ihrem Zusammenleben, schöne Frauen, kennen Liebe und Sexualität. Die Umwelt sendet ständig unzählige Informationen, schöne und hässliche. Wir lassen sie auf uns wirken. Unsere fünf Sinne registrieren sie, unser Hirn bildet Emotionen, und wir lassen uns von diesen führen. - Künstler filtern aus der Summe der Informationen diejenigen heraus, die sie am meisten bewegen. Diese formen sie zu eigenen Emotionen und versuchen uns diese zu vermitteln. Bei Heinz Werner sind es uneingeschränkt die schönen Informationen, gegenständliche und geistige. Alles Hässliche blendet er aus. So entstehen aus Motiven, deren Besonderheit wir gar nicht erkennen, Bilder von großer Schönheit. Emotionen von Schönheit gepaart mit Liebe will er uns vermitteln. Sein ausgeprägtes ästhetisches Empfinden wählt Farbe und Form, seine geübte Hand setzt jeden Punkt genau an die richtige Stelle. Die Sicherheit seines ästhetischen Empfindens und die Sicherheit seiner Hand verleihen den Bildern eine scheinbare Leichtigkeit. So entstehen seine Bilder während des Males. Und die Freude, die Malen für ihn ist, springt aus den Bildern auf uns Betrachter über.

Professor Werners Arbeiten auf Papier und Leinwand sind von seiner beruflichen Tätigkeit als Dekorgestalter weit entfernt. Die Ausstellung zeigt uns nur einen winzigen Teil dieses, seines Schaffens. Schauen Sie genau hin. Jedes Blatt hat seine eigene Schönheit, jedes Blatt hat seine eigene Aussage. Da blickt uns ein Gesicht kess, ein anderes kritisch an oder fragend, nachdenklich, einladend oder scherzend - jedes anders, und man weiß, dass in der nächsten Sekunde ein Wort oder eine Geste von ihm kommen wird. (Meine Herren, haben sie schon beobachtet wie vielfältig sprechend Frauenblicke sein können?)
Personengruppen sind in Bewegung; man erkennt ihre Tätigkeit – was sie soeben gemacht haben und was sie als Nächstes tun werden. Landschaften laden zum Besuch ein. Alles ist wie ein Märchen - lässt den Beschauer träumen - und ist dabei doch so realistisch. Jedes Blatt sagt: „Komm in meine Welt“. -
Jedes Blatt strahlt Heiterkeit aus und die Liebe, mit der Professor Werner den Betrachtern, den „Konsumenten“, seine Arbeit darreicht. Seine Freude am Zeichnen und Malen springt auf uns über. Wir vergessen beim Schauen den Alltag und werden ruhiger, ausgeglichener, heiterer.
Genießen Sie die Freude, die uns Professor Heinz Werner mit seinen Arbeiten schenken will.

Danke Herrn Prof. Werner für die schöne Ausstellung
Danke Frau Diplom-Forstwirtin Vogelsang und Frau Pfarrerin Schuster für die viele organisatorische Arbeit. Durch sie wurde die Ausstellung erst möglich.

Prof. Dr. S. Grunert


Literatur:
Sabatier, Eduard, Heinz Werner, Rita Gründel, Helmut Stelljes: HEINZ WERNER.
-Verlag der Galerie Pro Art. 1. Auflage 1993, ISBN 3-926473-3

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